Daniel Ewerman, Johannes Gervé, Mi Kyung Lee, Joan Longas, Yves Rasch, Willi Siber – Stairway to Heaven
05.04. – 01.06.2024
Zurück zur ÜbersichtStairways to Heaven
Daniel Ewerman, Johannes Gervé, Yves Rasch,
Willi Siber
Vernissage: 04. April 2024, 18 Uhr
Ausstellungsdauer: 05.04. – 01.06.2024
Die Landschaft ist wieder da! Zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich stehen Hunderttausende andächtig vor Gebirgsmassiven, See-Blicken und Wolkenstudien. Warum? Sie suchen nach Sehnsucht, Stille und Sinn. Zu Ehren des großen Romantikers zeigt die Stern-Wywiol Galerie vier aktuelle Positionen der Landschaftsmalerei.
Eine deutsch-koreanische Künstlerin, ein schwedischer, ein spanischer und ein deutscher Künstler zeigen vier verschiedene Arten, Landschaft zu sehen: Konzeptionell, gegenständlich und abstrakt. Auch sie stellen die Frage, wie wir heute zur Natur stehen und was unsere Rolle in ihr ist. Und auch sie geben, wie Friedrich, keine abschließenden Antworten.
Mit Stairway to Heaven stellt die Stern-Wywiol Galerie im großen Caspar-David-Friedrich Gedenkjahr vier aktuelle Positionen der Landschaftsmalerei vor. Zwei Bildhauer gehen mit ihren Werken in den Dialog mit der Malerei und holen so die dritte Dimension in die Ausstellung.
.
Daniel Ewerman, *1972, Stockholm, lebt ebenda
Daniel Ewerman hält in seinen Bildern die Zeit an. Der Augenblick, wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, die Spiegelung einer Baumgruppe im Wasser, das kurze Hervorbrechen der Sonne aus den Wolken – es ist das Licht, das den Künstler fasziniert. Ewerman sucht die magischen Momente, wenn die Gegensätze am größten sind – der rotglühende Himmel über der dunklen Silhouette der Stadt oder das Verschmelzen von Himmel und Wasser in der Dämmerung, kurz bevor der Mond aufgeht. Ganz in der Tradition der Freilichtmalerei findet der Künstler seine Motive in der Landschaft, die ihn umgibt. Oft fertigt er vor Ort schnelle Skizzen in Ölfarbe an. So übersetzt er Licht und Raum direkt in Farbe und Komposition. Diese intuitiven Momentaufnahmen dienen im Atelier als Vorlage für die Gemälde, die in einen langen Arbeitsprozess Schicht für Schicht entstehen.
Ewermans Annäherung an die Landschaft mutet romantisch an – das Gefühl ist ihm alles. In seiner Malweise geht er aber immer wieder einen Schritt zurück vor dem Motiv. Oft grundiert er seine Leinwand mit grobem Pinsel und legt ein pastoses Relief unter seine Malerei. Oder die gewebte Struktur der Leinwand drückt sich durch einen besonders feinen Farbauftrag. Wir sehen die Malerei als physisches Produkt und gehen auf Abstand zum Gefühl. Unsere Sehnsucht nach Natur, Weite und Stille bleibt unerfüllt. So wie die Momente der Schönheit in der Realität vergänglich sind, so lösen auch Ewermans Landschaftsbilder ihr Versprechen nicht ein. Sie halten den Augenblick des Glücks fest, aber wir können nicht restlos in ihn eintauchen. Wir bleiben auf der Suche.
Johannes Gervé, *1965 Karlsruhe, lebt ebenda
Die Bilder von Johannes Gervé brauchen Zeit. Es braucht Zeit bei der Betrachtung der Bilder, bis sich ihre feinen Farbklänge und zarten Kompositionen erschließen. Und analog dazu braucht der Künstler Zeit im Atelier, bis der perfekte Farbton gefunden, die gesuchte Nuance herausgearbeitet ist. „Mein Atelier ist wie ein großes Schiff, mit dem ich auf die Reise gehe in meine Bilderwelten.“ Die Reise des Malers geht immer in die Weite, für ihn der Inbegriff der Freiheit. Der passionierte Segler sucht in seinen Bildern nach dem ganz besonderen Gefühl, tagelang auf dem Wasser unterwegs zu sein und den grenzenlosen Himmel um sich zu haben.
Gervés Malerei steht in der Tradition von Klassikern der Farbfeldmalerei wie Marc Rothko oder Gotthardt Graubner und folgt dabei einem ganz eigenen Ansatz. Nicht von ungefähr sind viele seiner Bilder im Querformat gehalten und wecken gelegentlich die Assoziation einer Landschaftsdarstellung. Bei längerer Betrachtung findet das Auge des Betrachters horizontale Farbstrukturen, die sich als Vorder- und Mittelgrund deuten lassen und dem Bild Tiefe verleihen. Jedoch bleibt es stets bei zarten Andeutungen, die sich vor dem inneren Auge jederzeit wieder auflösen können. Bildgegenstand ist letztlich immer die Farbe an sich, mal transparent und mal pastos aufgetragen, feinstens nuanciert und voller Klänge. Die Bilder strahlen Ruhe und Freiheit aus und geben dem Betrachter die Möglichkeit, sich immer wieder neu zu verlieren in den Weiten ihrer Farbräume.
Mi Kyung Lee, *1967 Chung Ju (KOR), lebt in Berlin
Was ist Landschaft? Himmel, Horizont, Licht und Luft. Mi-Kyung Lee vereint all das in ihren schwarz-weißen Bildern, ohne dass man die einzelnen Elemente konkret benennen könnte. Waagerecht und schräg verlaufende Linien deuten einen gestaffelten Landschaftsraum an. Eine helle Fläche könnte ein See oder ein Fluss sein, ein zarter grauer Schleier eine Nebelbank, eine dunkle Farbformation ein Berg in der Ferne. Die Assoziation mit einer Landschaft entspringt nicht einem konkreten Blick, den die Künstlerin wiedergibt. Es ist vielmehr die Summe der Landschaften, die wir selbst gesehen haben. Unser eigenes Bildgedächtnis verwandelt die abstrakten Bilder in mögliche Abbilder der Welt.
Die Landschaftsbilder von Mi-Kyung Lee entstehen in einem Prozess, in dem sich Kalkül und Zufall die Waage halten. Im Malvorgang mischt die Künstlerin die Ölfarbe mit Leinöl und Terpentin und verteilt sie in dynamischen Bewegungen über die Leinwand. Zufällig absichtsvoll erscheinen Strukturen und Farben. In schnellen Reaktionen, intuitiv und wohlüberlegt zugleich, steuert die Künstlerin die Entstehung ihrer Bilder. Eine Korrektur ist nicht möglich.
Im Gegensatz zum Herstellungsprozess, der als Action Painting beschrieben werden kann, strahlen die Bilder eine meditative Ruhe aus. Statisch wirken sie dabei nicht. Die Landschaften schweben zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit und verändern sich vor unserem inneren Auge – wie eine Erinnerung, die wir jedes Mal anders sehen.
Joan Longas, *1959 Barcelona, lebt ebendort
Am meisten liebt Joan Longas das Licht dann, wenn es dabei ist zu verschwinden. Der späte Nachmittag und die Abenddämmerung sind seine bevorzugten Tageszeiten für die Stimmung eines Bildes. Lange Schatten auf sonnengewärmten Straßen, Neonschilder vor pastellfarbenem Himmel oder Autoscheinwerfer auf regennassem Asphalt – der Künstler findet seine Licht-Motive in alltäglichsten Situationen.
Genau wie der amerikanische Realist Edward Hopper interessiert sich Longas für das scheinbar Banale. Bei Hopper steht die unüberwindliche Einsamkeit des modernen Menschen über allem. Für Joan Longas ist die Hoffnung noch nicht verloren. In seinen Bildern versperrt die menschengemachte Umwelt zwar oft den Zugang zur Schönheit der Natur. Aber sie ist immer da. Wir erleben den Himmel und das Licht, spüren die Wärme der Sonne oder die Milde des Abends. Und wir sind immer unterwegs. Meist auf Straßen, die in vielen Bildern von Longas zu sehen sind. Im Auto jagen wir der Sehnsucht hinterher, meist vergeblich, aber eben nicht immer.
Joan Longas‘ Kompositionen muten oft wie spontane Schnappschüsse an. Für einige Bilder verwendet er auch solche Fotografien als Vorlage. Sie sind Teil seines Arbeitsprozesses und haben immer etwas mit seinem persönlichen Leben zu tun. Die Bilder locken mit ihrer Farbenpracht und wirken gleichzeitig fast dokumentarisch. Genauso, wie die beiläufig entstandenen Fotos oft viel realistischer wirken als die sorgsam arrangierten, so erzählen die Bilder von Joan Longas unverstellt von unserem Leben. Zwischen Wirklichkeit und Sehnsucht, immer auf der Suche.
Yves Rasch, *1976, in Hamburg, lebt in Groß Schmölen
Yves Raschs Interesse gilt der Korrespondenz zwischen den gewachsenen Strukturen des Materials Holz, die er mit organischen, der Natur entlehnten Formen und gewachsten Oberflächen in Beziehung setzt. Mit der durchscheinenden weißen Farbgebung werden die Skulpturen ihrem Material gleichsam entrückt und in einen Schwebezustand versetzt.
In seinem starken Naturbezug ist das Werk von Yves Rasch als Gegenpol zur ständig wachsenden Naturferne des modernen Menschen zu verstehen. Die Skulpturen verbinden den Sehsinn mit dem Tastsinn und erfüllen so die Sehnsucht nach körperlich erfahrbaren Erlebnissen, nach Unmittelbarkeit und Erdung.
Willi Siber, *1949, in Eberhardzell, lebt und arbeitet ebendort
Willi Siber arbeitet mit Spezial-Lacken und Pigmenten, Industriestahl und Epoxidharz. Seine Formen scheinen jenseits physikalischer Gesetze zu schweben. Sie lassen Wachstum und Bewegung assoziieren und bringen die Farbe zu maximaler Wirkung. Die Farbe führt ein Eigenleben und ist absolut gesetzt – inhaltlich wie formal. Die technisch schier unbegrenzten Möglichkeiten des HiTec-Industriezeitalters verbinden sich mit Elementen aus Pop, Postmoderne und Dekonstruktion zu einer ebenso ungewöhnlichen wie verführerischen Mischung.